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Phasen des Zweitspracherwerbs

Spracherwerbsphasen

Der Zweitspracherwerb verläuft über die Ausbildung von Lernersprachen – sogenannte Interimssprachen. Diese enthalten noch Elemente der jeweiligen Erstsprache und sogar solche, die in keiner der beiden Sprachen vorkommen.

Die Annäherung an die Zielsprache Deutsch erfolgt über verschiedene Zwischenstufen. Dies ist zum Teil in den typologischen Besonderheiten des Deutschen begründet, die nicht alle auf einmal gelernt werden können. Ein weiterer Grund für solche (produktiven) Zwischenstufen im Zweitspracherwerb kann in den strukturellen Unterschieden zwischen Erstsprache und der deutschen Sprache liegen. Diese Unterschiede lassen sich auf allen Ebenen der Sprachbeschreibung und der Sprachfunktion feststellen: auf der Ebene der Aussprache, der phonematischen und graphematischen Struktur, d. h. bei den Laut-Buchstaben-Zuordnungen in der geschriebenen Sprache, in der Wortbildung und in der Syntax. Diese Unterschiede können zu Interferenzen führen, d. h. zur Übertragung schon gelernter Strukturen in der Erstsprache bzw. in einer schon gelernten Fremd- oder Zweitsprache auf noch zu lernende Strukturen in der neuen Sprache. Überdehnungen, Übergeneralisierungen (z. B. "Hund" für alle Tiere oder Partizipialbildung schwacher Verben für alle Verben, z. B.: "Ich habe gefliegt") sind Zeichen aktiver Lernprozesse und daher nichts Negatives. 

Bedeutung von Spracherwerbsphasen und Erstsprachen für den Unterricht

Solche Zwischenstufen sind als momentaner Stand der Lernenden zu betrachten, auf dem die nächsten unterrichtlichen Schritte aufzubauen sind. Als Lehrkraft gilt es, einen Blick dafür zu entwickeln, was die Schülerinnen und Schüler bereits können und was ihnen bereits gelingt bzw. welche Leistung hinter einer vermeintlich „fehlerhaften“ Sprachproduktion steht – und nicht dafür, was noch misslingt und fehlt. (In Anlehnung an Jeuk, S. (2017): Deutsch als Zweitsprache in der Schule – Grundlagen – Diagnose –Förderung. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart.)

Kenntnisse über die Spracherwerbsphasen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler jeweils befinden, sind für die zuständigen Lehrkräfte notwendig. Typische Merkmale der Erstsprache helfen dabei, eine gelingende Förderplanung zu erstellen. Ebenso hat die Erstsprache und ihr Einbeziehen in den Unterricht (z. B. im kontrastiven Vergleich) neben dem emotionalen auch immer einen sprachförderlichen Aspekt. Der lebens- und schulbiografische Hintergrund, die Basisfähigkeiten des Kindes bzw. des Jugendlichen sowie die Lernbeobachtungen der Lehrkräfte sind selbstverständlich ebenfalls Grundlagen bei der Entscheidung zu geeigneten Fördermaßnahmen. Diese sind regelmäßig zu überprüfen und nach der sprachlichen Progression auszurichten.

Der Zweitspracherwerb läuft in bestimmten Phasen ab. Nachgewiesen wurden regelhaft aufeinanderfolgende Erwerbssequenzen u. a. für folgende Bereiche: Verbstellung im Satz, Verbkonjugation und Kasusbildung. Da die Abfolge der Erwerbsphasen relativ fest ist, hilft die Kenntnis der Abfolge, den aktuellen Sprachstand der Lernenden einzuschätzen und den nächsten Förderhorizont zu bestimmen. Überforderungen, aber auch Unterforderungen in der Förderung werden so vermieden. Unterschiede gibt es bei den Lernenden in Bezug auf die Zeit und den Grad der individuellen Sprachkompetenz am Ende des Prozesses, abhängig von Alter, erstsprachlichen Einflüssen, intrinsischer Motivation sowie Quantität und Qualität des sprachlichen Inputs in der Zweitsprache.

Die Unterstützung beim Spracherwerb, vor allem der Aneignung von Bildungssprache, sollte die gesamte Bildungslaufbahn der Schülerinnen und Schüler umfassen und eine Diagnose der sprachlichen Fähigkeiten sollte stets den Sprachförder- und Sprachbildungsmaßnahmen vorausgehen.