Ein neuer Blickwinkel auf Nachhaltigkeit
Der Wahlpflichtkurs Journalismus hat sich auf die Suche nach lokalen Antworten für die globale Klimakatastrophe gemacht. In den dabei entstandenen Videoreportagen über innovative Projekte in der Region Hannover erweitert sich der Blickwinkel für eine nachhaltige Gestaltung der Zukunft.
Martin Harer
Bienen summen in der Luft. Die Kamera schwenkt über den Acker einer solidarischen Landwirtschaft. Ein Parkdeck erblüht mitten in der Innenstadt und es drehen sich Windräder rund um Hannover. Im Rahmen eines Medienprojektes hat sich der Wahlpflichtkurs (WPK) Journalismus auf die Suche nach lokalen Lösungen für die globale Klimakatastrophe begeben. Die Schüler:innen aus dem 10. Jahrgang der Ricarda-Huch-Schule Hannover haben innovative Projekte besucht. Sie sind mit Menschen aus der Region Hannover ins Gespräch gekommen und haben recherchiert, gefilmt und geschnitten. Bei einer öffentlichen Veranstaltung in der Schule werden die Videoreportagen vorgestellt und über nachhaltige Lösungen diskutiert. Es wird deutlich: Die Welt ist voller Ideen!
Idee und Ausgangspunkt
Sophia sitzt im Haus der Region Hannover mit dem Regionspräsidenten Steffen Krach an einem Tisch. Sie fragt ihn nach konkreten Projektideen für mehr Nachhaltigkeit. Er erzählt von neuen Windrädern und den Auseinandersetzungen um die Erweiterung des Südschnellwegs. Es ist ein zähes Ringen um lokale Lösungen für eine nachhaltige Verkehrswende. Dabei steht die Region Hannover vor einer globalen Herausforderung: Die Klimakatastrophe ist nicht gebannt. In der Schule können sich Schüler:innen auf die Suche nach Lösungsansätzen vor Ort begeben und dabei eine kritische Haltung entwickeln. Sie können mit Menschen ins Gespräch kommen, ihre Ideen und Projekte kennenlernen und darüber journalistisch erzählen.
Redaktionelles Arbeiten in der Schule
Im Computerraum der Ricarda-Huch-Schule Hannover sitzen 20 Schüler:innen um einen großen Tisch. Es findet die wöchentliche Redaktionssitzung des Wahlpflichtkurses Journalismus statt. Paula erzählt von ihren Rechercheergebnissen und dem Interviewtermin im Rathaus Hannover. Samuel berichtet von seinem Telefonat mit der solidarischen Landwirtschaft „Wildwuchs“ im Westen von Hannover. Mira fragt nach Terminvorschlägen für den Besuch bei einem Imker im Süden der Landeshauptstadt. In Kleingruppen erstellen die Schüler:innen ein Drehbuch für die Videoreportagen. Es entstehen Leitfäden für Interviews. An- und Abmoderation werden auf dem Schulhof aufgenommen. Parallel beginnt der Schnitt am Rechner im Computerraum. Die Doppelstunde im WPK Journalismus vergeht wie im Flug.
Wahlpflichtkurse als schulischer Organisationsrahmen
„Langeweile in Hannover? Lass uns deiner Freizeit ein Upgrade geben!“ – unter dieser Überschrift haben zwei Kursteilnehmerinnen im 8. Jahrgang einen Blog mit Freizeittipps in Hannover entwickelt. Seit drei Jahren lernen die Schüler:innen im Wahlpflichtkurs journalistische Grundlagen kennen und arbeiten selbstständig an Projekten. Sie beschäftigen sich im „MADS-Projekt“ der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung mit Print- und Onlinemedien. Dabei werden Recherche- und Interviewtechniken entwickelt. In Kooperation mit dem Schul-Internetradio „N-21“ veröffentlichen sie im 9. Jahrgang Podcasts zu selbst gewählten Themen. Im letzten Jahr als gemeinsamer Wahlpflichtkurs steht die Reportage als journalistische Darstellungsform und die eigene Produktion von Videos im Mittelpunkt der Abschlussarbeiten.
Die Reportage als „Königsdisziplin des Journalismus“
„Ein eisiger Wind fegt durch die Straßen von Berlin. Einige Vorträge meiner MitschülerInnen haben wir schon gehört, viele stehen noch an. Unsere Beine werden immer schwerer, die Motivation sinkt, die Gesichter wie vereist. Das einzige, was mich nicht davon abhält in ein warmes Café zu gehen, ist mein bevorstehender Vortrag zum Holocaust-Mahnmal in Berlin.“ So beginnt die Reportage von Sophia über ihre Abschlussfahrt. Es ist ein Beitrag, der im Blog „Schule&Zeitung“ der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wird. Am Projektbeginn wurden die Merkmale der Reportage als „Königsdisziplin des Journalismus“ eingeführt. Die Kursteilnehmer:innen haben über den Projektzeitraum von sechs Wochen kostenlose Digitalabos der SZ erhalten und davon inspiriert eigene Reportagen aus dem persönlichen oder schulischen Umfeld geschrieben. Mit diesem Erfahrungshintergrund geht es in die letzte Projektphase des Abschlussprojektes.
Einführung in den Videojournalismus mit dem „multimediamobil“
„Kamera läuft!“, ruft Hinrich. Fino geht auf die Kamera zu und öffnet eine Tür. Das Stativ mit Kamera wird auf die andere Seite der Tür getragen und wieder heißt es: „Kamera läuft!“. Die Schüler:innen filmen einen einfachen Alltagsvorgang nach der 5-Shot-Regel. Sie verzichten auf Dialoge und zerlegen das Geschehen mit verschiedenen Einstellungsgrößen in einzelne Bilder. Eine Übung von Norbert Thien, die den Kursteilnehmer:innen in einem vierstündigen Workshop zeigt, worauf es bei einer Videoreportage ankommt. Der Medienberater von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt führt auch in Schnittprogramme ein und gibt Tipps und Tricks für die nächste Arbeitsphase mit auf den Weg, wenn die Filmarbeit beginnt.
Projektablauf: „Kamera läuft“
Greta und Mira stehen in einem grünen Garten südlich von Hannover. Vor seinen Bienenkörben steht ein Imker und erzählt von der Bedeutung von Bienen für Nachhaltigkeit. „Kamera läuft!“ heißt es nun endlich nach einer langen Vorbereitung des Interviewtermins vor Ort. „Der Ton ist leider fast nicht zu verstehen“, stellt Kamerafrau Merle bei der Sichtung der Aufnahme in der Schule verzweifelt fest. Die Aufnahme mit der Kamera und dem Mikrofon des Medienzentrums Hannover muss wiederholt werden. Ein neuer Termin mit dem Imker wird verabredet und wieder fahren die drei Schülerinnen mit der gesamten Ausrüstung zu den Bienenkörben. Die zweite Aufnahme gelingt. Für die An- und Abmoderation filmen sich die Schülerinnen auf einer blühenden Wiese inmitten von summenden Bienen. Der Schnitt kann nun beginnen. Mit dem frei erhältlichen Videoeditor „Openshot“ geht Merle an die Arbeit und macht aus dem umfangreichen Filmmaterial eine achtminütige Videoreportage über die „Bienen als Retter unseres Ökosystems“.
Projektpräsentation in der Schule
In der Aula der Ricarda-Huch-Schule hängt eine riesige Leinwand auf der Bühne. Davor stehen Mira und Sophia. Sie moderieren die Veranstaltung „Interviews, Videoclips und Podcasts – der Wahlpflichtbereich Journalismus präsentiert Projektergebnisse“ für die interessierte Schulöffentlichkeit. In den Reihen sitzen Schüler:innen aus den Jahrgängen 8 bis 10 und warten gespannt auf die Präsentation der Ergebnisse. Alle Wahlpflichtkurse stellen ihre journalistischen Ergebnisse vor. Der 10. Jahrgang präsentiert fünf Videoreportagen über nachhaltige Lösungen in der Region Hannover. Vom Imker über die solidarische Landwirtschaft bis zum Regionspräsidenten wird deutlich, wie eine nachhaltige Zukunft aussehen kann und wie Schüler:innen den Blickwinkel mit Videoreportagen erweitern können.
Zur Person
Martin Harer hat seine Leidenschaft für Zeitungen zum Beruf gemacht und unterrichtet Deutsch, Politik-Wirtschaft und im Wahlpflichtbereich Journalismus an der Ricarda-Huch-Schule Hannover. Er leitet die Fachgruppe Wahlpflichtbereich und ist als Beauftragter für Berufliche Orientierung immer auf der Suche nach neuen Wegen für eine nachhaltige Zukunft.