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„Radio ist voll cool“

Die Schulrat-Habermalz-Schule in Alfeld hat sich ein Tonstudio gebaut und ermutigt junge Menschen darin, Radio zu machen.

Marian Feist

Normalerweise ist Hozan ein sehr lebendiger Mensch, ich kenne den Siebtklässler aus dem Deutschunterricht.Was die schulischen Leistungen anbelangt, ist Hozan zwar ein guter Schüler, trotzdem ist er oft abgelenkt, quatscht gerne mit seinen Sitznachbarn. Betritt er das Tonstudio, zeigt er ein ganz anderes Bild von sich. Er ist ruhig, in sich gekehrt und betrachtet den Raum, in dem er steht, staunend. Als er das erste Mal im Tonstudio steht, fragt er nach kurzer Zeit vorsichtig, ob er die Bedienelemente, die vielen Knöpfe und Regler am Regietisch auch einmal bedienen dürfe. Heute ist er unser Tontechniker, er hat sich in die für ihn neue Umgebung sehr schnell eingefunden, versteht dieses Handwerk immer besser.

Früher Fotolabor, jetzt Tonstudio

Die Idee, ein Tonstudio in den Werktrakt zu bauen, entstand eher spontan. Noch vor rund 20 Jahren gab es hier auf dem Flur ein Fotolabor, da aber analoge Fotografie als Technik mittlerweile out ist, wurde der Raum zur Abstellkammer. Überschüssiges Werkzeug und Material standen in Kisten und Regalen bis unter die Decke. Eigentlich zu schade, weil freie Räume an unserer Schule eher Mangelwahre sind. Mit wenigen Mitteln und dem Einsatz engagierter Kollegen konnte dem in die Jahre gekommenen Fotolabor neues Leben eingehaucht werden. Neue Wandfarbe, gerahmte Fotografien von Musikern, hier und da etwas Streetart, ein gebrauchtes Sofa, ein paar Retromöbel aus dem Keller, die mit wenigen Pinselstrichen aufgehübscht wurden, ergeben ein gemütliches Raumkonzept. Es gibt Computerarbeitsplätze, einen Regietisch mit großem Mischpult, Controllern und Abspielgeräten und eine schallisolierte Aufnahmekabine mit Großmembranmikrofonen. Der Raum, der wie ein Wohnzimmer wirkt, hat einen professionellen Rahmen.
Weil mehrkanaliges Lernen modern ist, leistet das Tonstudio vor allem im Bereich der auditiven Wahrnehmung einen besonderen Beitrag. Vor allem aus diesem Grund sorgt das Tonstudio bei immer mehr Kollegen sowie Schülerinnen und Schülern für Begeisterung. Gerne kommen Klassen hierher, um Aufgabenstellungen noch einmal anders anzugehen, Themen zu vertiefen, Ergebnisse auch als Tonaufnahme zu sichern.
Ein gutes Beispiel hierfür liefert das Wirtschaftsprojekt der Klasse 9c. Thematisch haben sich die Schüler mit der Berufswelt und dem anstehenden Praktikum auseinandergesetzt. Das Alfelder Unternehmen T&B Electronics hat sich dann bereit erklärt, mit den Schülern der 9c telefonische Bewerbungsgespräche zu simulieren. Die unterschiedlichen Telefongespräche konnten dank besonderer Audiotechnik aus dem Tonstudio mitgeschnitten und auf dem Schulserver gespeichert werden. Die mitgeschnittenen Bewerbungsgespräche können seitdem von anderen Lerngruppen angehört und ausgewertet werden. Die Aufnahmen liefern die Grundlage für Diskussionen im Unterricht oder bieten eine praktische Vorlage für das Gelingen eigener Telefonate.

Projekt „Schülerradio“

Ein weitaus umfänglicheres Projekt, bei dem die Schüler zunehmend eigenverantwortlich im Tonstudio arbeiten, ist das Schülerradio. Die Sendung informiert die Schüler über aktuelle Themen aus dem Schulalltag, der lokalen Umgebung und anderen interessanten Bereichen. Die unterschiedlichen Jobs haben die Schüler, wie in einer echten Redaktion, untereinander aufgeteilt. Sie arbeiten als Tontechniker, Moderatoren und Journalisten. Sie telefonieren, recherchieren, sammeln Spenden, bringen ihre persönlichen Interessen und Leidenschaften in die Sendung ein, um ein abwechslungsreiches und informatives Radioprogramm zu präsentieren.
Luca Hagemann, ein talentierter 13-jähriger Schüler aus der Klasse 7a, begrüßt die Schulgemeinschaft mit den Worten: „Willkommen zurück beim Schulradio der Schulrat-Habermalz-Schule Alfeld.“ Jede zweite Woche, immer freitags am Ende der vierten Stunde, wird die Radiosendung über die Lautsprecheranlage der Hauptschule in Alfeld ausgestrahlt.
Die Produktion der Sendung findet ausschließlich im Tonstudio der Schule statt. Dort treffen sich regelmäßig Schüler im Nachmittagsbereich, um gemeinsam an neuen Sendungsformaten zu arbeiten. Auch Samira Haidari, 17 Jahre alt, hat eine besondere Begeisterung fürs Moderieren entwickelt. Man hört sie oft durch die Sendungen führen oder wie sie spannende Interviews führt. Nils-Ole Trinsch und Thomas Giotis üben sich privat als Musikproduzenten und unterstützen das Team als erfahrene Tontechniker. Das Schulradio der Schulrat-Habermalz-Schule Alfeld ist zu einem beliebten Medium geworden, da es vor allem auch Themen aus dem Schulalltag aufgreift. Das Radio bleibt aber nicht nur eine Plattform für Information und Unterhaltung, sondern bietet den Schülerinnen und Schülern auch die Möglichkeit, wichtige Fähigkeiten in den Bereichen Kommunikation, Teamarbeit und Medienproduktion zu entwickeln.
Ich persönlich wünsche mir, dass die Schule noch mehr von meinem Projekt profitiert und dass die Möglichkeiten weiter ausgeschöpft werden. Vor allem wünsche ich mir aber, dass es mehr Schüler wie Hozan gibt, die sich begeistern lassen und aus Neugier heraus Interessen entwickeln und das Potential, das in ihnen schlummert, zum Vorschein bringen.

Das Tonstudio: ein voller Erfolg

Rückblickend war dieses ganze Projekt mit viel Planung und Arbeit verbunden. Es gab auch immer Kollegen, die uns als zu übereifrig empfunden haben und uns das auch spiegelten. Ich weiß noch, dass ich über den Flurfunk mitbekam, wie jemand so etwas gesagt hat wie: „(…) da will er sich ja nur wieder bei der Schulleitung profilieren, typisch für diese jungen Kollegen.“ Ja gut, das Lob haben wir natürlich bekommen, aber darum ging es mir nie. Für mich steht nach wie vor der Lernort im Vordergrund und die Möglichkeit Schüler zu begeistern. Dass ich das geschafft habe, da bin ich mir zumindest bei einigen von ihnen sicher. Jason, der mittlerweile fester Bestandteil unseres Teams ist, erinnert sich noch an den Tag, als ich ihn frage, ob er bei uns mitmachen möchte. Jason fühlt sich zwar geschmeichelt, konnte sich aber überhaupt nicht vorstellen in ein Mikrofon zu sprechen. „Ich wusste erst gar keine Antwort. Ich war skeptisch und hatte Angst vor anderen zu sprechen, vor allem davor etwas Falsches zu sagen.“ Nach einer Woche Bedenkzeit springt er doch noch über seinen Schatten. Heute kommt er gerne. Auf die Frage, wie er die Arbeit beim Radio findet, sagt er: „Voll cool, voll normal jetzt, die Arbeit beim Radio macht mir Spaß. Es ist viel besser als zuhause rumzusitzen, ist irgendwie wie ein Hobby. Es ist einfach cool, dass die Schule so eine professionelle Ausstattung hat.“

Natürlich kann man in die Wände eines Gebäudes, welches in öffentlicher Trägerschaft liegt, nicht einfach Löcher bohren. Doch konnte ein schlüssiges Konzeptpapier die zuständigen Stellen überzeugen, dem Projekt den Weg zu ebnen. Die Anträge und Materiallisten liegen mittlerweile gebündelt in einem Dokument vor und können als Blaupause auch an anderen Orten verwendet werden. Scheuen Sie sich also nicht davor, mich um Rat zu bitten. Ich unterstütze Sie gerne dabei auch in Ihrer Einrichtung einen ähnlichen Ort zu schaffen. Es ist in vielerlei Hinsicht lohnenswert.

Zur Person

Marian Feist ist seit drei Jahren Lehrer an der Hauptschule in Alfeld und unterrichtet die Fächer Deutsch, Geschichte und Werken und Technik. Außerdem betreut er das Tonstudio und ist Ansprechpartner für dortige Projekte.