Das Wichtigste in Kürze
Traumapädagogische Konzepte in Schule
Schutz und Sicherheit
Wesentliche Grundbedürfnisse des Menschen sind: Schutz und Sicherheit zu erfahren, verlässliche und vertrauensvolle Bindungen zu haben, Wertschätzung zu erleben und sich in der Welt zu orientieren sowie handlungsfähig zu sein. Bei Kindern und Jugendlichen, die fliehen mussten, sind diese Grundbedürfnisse durch die realen Erfahrungen in der Vergangenheit schwer und oft nachhaltig erschüttert worden. Durch die besondere Weise, wie traumatische Erfahrungen im Gehirn gespeichert werden, sind diese Kinder und Jugendlichen den belastenden Gefühlen, Gedanken, Impulsen und bedrohlichen Erinnerungen hilflos ausgeliefert. Gefühle von Orientierungslosigkeit und Unsicherheit können andauern, auch wenn keine „reale“ Gefahr mehr droht bzw. können diese Gefühle durch sogenannte „trigger“ ausgelöst und wieder erlebt werden. Die wichtigste Aufgabe der Schulgemeinschaft ist es daher, größtmögliche Sicherheit, Schutz, Vorhersagbarkeit und Orientierung zu schaffen. Hierzu gibt es zahlreiche ganz konkrete pädagogische Strategien, die z. B. mit Hilfe schulpsychologischer Unterstützung erarbeitet und umgesetzt werden können. Nicht nur Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung können davon profitieren. Äußere Sicherheit kann z. B. durch eindeutige, gut strukturierte (Tages-)Abläufe, durch Rituale und den Bedürfnissen entsprechende Räumlichkeiten sowie durch eine klare Sitzordnung geschaffen werden.
Beziehungsgestaltung
Eine zentrale Rolle spielt neben dem Aspekt der Schule als „sicherer Ort“ die Beziehungsgestaltung. Klare Zuständigkeiten, verlässliche Beziehungen und Absprachen zwischen den Bezugspersonen der Kinder und Jugendlichen sollten konkret vereinbart werden, damit diese im Schulalltag immer wissen: Wer ist meine Bezugsperson? Wo ist sie zu finden? Wo erfahre ich Hilfe, Schutz und Unterstützung? An wen kann ich mich wenden? So sind Notfallpläne für Krisensituation zur Vermeidung von eskalierenden Konfliktsituationen hilfreich. Sicherheit entsteht auch durch klare Regeln, transparente verlässliche Tagesstrukturen und durchschaubare Grenzen mit vorab abgesprochenen individuellen Konsequenzen bei inakzeptablen Verhaltensweisen. Grundlage ist ein Schul- und Klassenklima der gegenseitigen Wertschätzung, Akzeptanz von Unterschiedlichkeit und des gegenseitigen Mitgefühls. Dies betrifft die einzelne Lerngruppe und ist gleichzeitig eine zentrale gemeinsame Schulentwicklungsaufgabe.
Die pädagogische Haltung: „Prinzip des guten Grundes“
Pädagogisches Verstehen der Verhaltensweisen und des Erlebens des Kindes bzw. des Jugendlichen vor dem Hintergrund seiner Geschichte heißt: Jedes Verhalten hat in jeder Situation einen „guten Grund“ bzw. das Verhalten kann als Lösungsversuch verstanden werden. Ist das Verhalten inakzeptabel, sollten gemeinsam mit dem Kind bzw. dem Jugendlichen alternative Lösungen gesucht werden. Traumapädagogisches Handeln heißt: Verstehen VOR Erziehen. Oberstes Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, sich selber besser zu verstehen und die Selbstregulation und Selbststeuerung zu fördern und zu unterstützen.
Strategien traumapädagogischen Handelns:
Förderung von
- Selbstverstehen
- Selbstakzeptanz
- Selbstregulation
Die hier kurz dargestellten traumapädagogischen Konzepte lassen sich im Schulalltag gut integrieren. Schulpsychologische Beratung unterstützt Schulen durch Fortbildungsangebote, in denen Basiswissen zu traumatischen Reaktionen und Grundlagen zur traumapädagogischen Haltung vermittelt wird. Fallbezogen können individuelle Strategien zum Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit Fluchterfahrungen erarbeitet werden. Über den Einzelfall hinaus ist es in vielen Schulen sinnvoll, traumapädagogische Erkenntnisse in den Schulalltag zu implementieren. Dies fördert gelingende Integration von Schülerinnen und Schülern mit Fluchterfahrung und dient gleichzeitig dem Wohle aller. Darüber hinaus kann es für Lehrkräfte hilfreich sein, schulpsychologische Supervisionsangebote zu nutzen, um das eigene professionelle pädagogische Handeln regelmäßig zu reflektieren, eigene Belastungen zu benennen und zu vermindern, das pädagogische Handeln zu professionalisieren und von den Erfahrungen anderer Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrungen unterrichten, zu profitieren.