Medien und Gesellschaft
Unsere Wahrnehmung von Welt findet zunehmend über Medien statt: Politische Diskurse, fremde Länder, selbst Freundschaftsgruppen sind medial vermittelt. Dabei liefern uns Medien niemals ein vollständiges Bild der Welt, sondern immer nur Ausschnitte, so wie auch unsere eigene Wahrnehmung immer subjektiv ist. Medien verändern jedoch die Wahrnehmung und Konstruktion von Wirklichkeit und Wahrheit sowie von Werten und Normen. Aber sie ermöglichen auch Zugänge zur Welt, die so bislang nicht möglich waren. Für Menschen mit Behinderung stellen z.B. die Assistenztechnologien oftmals die einzige Möglichkeit dar am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Die Durchdringung unserer (Lebens-)Welt mit Medien und die damit verbundene Entwicklung von Gesellschaft – derzeit geprägt durch mobile und digitale Vernetzungsmöglichkeiten –, stellen einen Metaprozess des sozialen bzw. kulturellen Wandels dar¹. Dabei kommt es nicht zu einer Ablösung der „alten“ Medien durch „neue“ Medien, sondern die Nutzung „neuer und alter“ Medien ergänzt und durchdringt sich fortlaufend.
Besonders das Internet hat die Organisation unserer kommunikativen Systeme grundlegend verändert. Das Internet potenziert die Möglichkeiten des Informationsaustauschs über größte Distanzen hinweg. Damit wächst die Bedeutung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen. Medienprodukte jeglicher Art können gespeichert, in Sekundenschnelle um die Welt transportiert und nach Bedarf jederzeit abgerufen werden. Wissensbestände und dominante gesellschaftliche Themen verändern sich entsprechend schnell.
Ein weiterer bedeutender Aspekt, der sich auf die veränderten Möglichkeiten im Umgang mit digitalen Medien bezieht, ist die „Produtzung“: Im Zeitalter der Massenmedien waren Produktion und Konsum zwei deutlich voneinander getrennte Kategorien. Im Zeitalter des Internet werden die Nutzerinnen und Nutzer durch die Gestaltung, Produktion und Veröffentlichung eigener Inhalte, Informationen und Meinungen selbst zu Inhalte-Anbietern (user generated content) und damit Teil des öffentlichen Diskurses. Die ehemals „nur“ passiven Rezipienten sind heute (inter-)aktive Nutzer, mit Axel Bruns (2009) gesprochen: Produtzer². Problematisch ist, dass viele Beiträge ohne Anspruch auf öffentliche Relevanz verfasst werden und die Nutzer keinerlei Kontrolle über die Wahrhaftigkeit des jeweiligen Produtzers und über die Wahrhaftigkeit der Inhalte haben³.
Wir treffen immer häufiger auf Werbung, die zu unseren Interessen passt. Informatiksysteme mit medialer Mensch-Maschine-Schnittstelle übernehmen heute bereits Steuerungs- und Regelungsaufgaben, sammeln eigenständig Informationen, tauschen sie aus und machen uns entsprechende Angebote. Dadurch werden wir einerseits entlastet, andererseits werden unsere Handlungsspielräume aber auch verändert und häufig eingeschränkt. Die Folgen automatisierter Prozesse zu durchschauen und nach eigenen Bedürfnissen verantwortungsbewusst und autonom zu steuern, ist Herausforderung für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft als Ganzes. In diesem Kontext ist die Macht einzelner Akteure und dahinterstehender Interessen – staatlicher wie auch wirtschaftlicher Natur – kritisch zu betrachten.
Damit verknüpft ist auch die Frage des Datenschutzes und der Datensicherheit. Zu den klassischen Fragen des geistigen Eigentums, für die angesichts der leichten Verfügbarkeit von Texten und Bildern verstärkt sensibilisiert werden muss, kommt die Gefahr eines Diebstahls, einer Beschädigung oder eines Missbrauchs von persönlichen sowie personenbezogenen Daten durch z. B. Individuen, Konzerne oder Staaten. Sicherheitsbewusst zu handeln bedeutet, den Umgang mit personenbezogenen Daten einzuschätzen und die Preisgabe dieser Daten – soweit möglich – durch geeignete Strategien soweit verhindern zu können, wie wir es möchten. Dazu gehört auch ein Bewusstsein darüber, in welchen „Räumen“ man sich bewegt - in der Öffentlichkeit, einer beschränkten Öffentlichkeit oder im Privaten. Grundlegend hierfür ist eine Sensibilisierung für die Relevanz von Bürgerrechten, den Schutz von Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung. Denn auch die sicherste Informationstechnologie kann keinen Schutz bieten, wenn die Menschen bewusst oder unbewusst fahrlässig agieren.
Um selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben zu können, bedarf es zum einen eines Medialitätsbewusstseins und zum anderen eines kompetenten Umgangs mit Medien.
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¹ vgl. Krotz, Friedrich (2007): Mediatisierung - Fallstudien zum Wandel von Kommunikation, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
² Bruns, Axel (2009):Anyone can edit - vom Nutzer zum Produtzer. In: kommunikation @ gesellschaft.
Download: www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/12732/B3_2009_Bruns.pdf [11.10.2017]
³ vgl. Köberer, Nina / Rath, Matthias (2014): Vernetzte Identität - Social Web in anthropologischer und ethischer Perspektive. In: Religionsunterricht heute: Social Media. Heft 2/2014. S. 18-22.
Download: downloads.bistummainz.de/5/455/1/40592655327023477486.pdf